Bweya

Gestern Abend bekam ich Besuch von dem ersten Ugander, den ich jemals kennengelernt habe. Sein Name ist Christopher Mukasa. In den frühen 60ern Jahren kam er für einen längeren Aufenthalt nach Deutschland, wo meine Eltern ihn kennenlernten. Seine Vision war damals schon, ein Kinderheim in Uganda zu gründen. 1968 setzte er dieses Vorhaben in die Tat um. Zunächst nahm er zusammen mit seiner Ehefrau Irene, einer Krankenschwester, einige Waisenkinder auf, ein größeres Haus wurde gebaut, eine Tagesklinik eingerichtet, weitere Gebäude errichtet. Mein Vater ließ sich von dieser Begeisterung anstecken, unterstützte und gründete 1970 einen Verein, der den Aufbau des Kinderheims finanziell unterstützte. Immer mehr wuchs sein Wunsch, die Entwicklung vor Ort zu begleiten. So kam es schließlich in den Jahren 1973-76 zu einem dreijährigen Aufenthalt der Familie Finken in Bweya, einem kleinen Ort in der Nähe der ugandischen Hauptstadt Kampala.

Dieser Zeitraum war allerdings durch schwierige politische Rahmenbedingungen (Idi Amin) mangelndes Verständnis der anderen Kultur auf beiden Seiten geprägt. Nach der Rückkehr nach Deutschland zogen sich meine Eltern mehr und mehr aus dieser Angelegenheit zurück, starteten aber nach wenigen Jahren ein neues Projekt in Kenya, weitere Aktivitäten kamen hinzu, sodass sie sich 25 Jahre lang den größten Teil ihrer Zeit in Ostafrika verbrachten, bis sie aus Altersgründen endgültig nach Deutschland zurückkehrten. Von dort pflegen sie immer noch einen regen Kontakt zu ihren afrikanischen Freunden.
Ich selbst besuchte meine Eltern in Kenya zweimal als Student (1986 und 1987), unternahm von dort aus Kurzreisen nach Uganda und einmal auch nach Ruanda. Es dauerte weitere 19 Jahre, bis ich wieder nach Uganda kam, diesmal zusammen mit meiner Frau zum Jahreswechsel 2005/2006. Wir blieben nur eine Woche, konnten aber in diesen wenigen Tagen viele meiner alten Freunde treffen. In Bweya verbrachten wir einen Tag, und knüpften damals einen Kontakt zu einem anderen Projekt, der bis heute besteht. Wir übernahmen persönlich die Unterstützung für 5 Patenkinder, die mit unserer finanziellen Hilfe zur Schule gehen können. Darüber hinaus konnte meine Frau eine Vielzahl von Patenschaften in der Schule, in der sie unterrichtet, vermitteln.

2009/2010 reisten wir erneut nach Uganda und lernten das Projekt vor Ort kennen. Auch in Bweya schauten wir diesmal zu einem Kondolenzbesuch rein, denn Irene Mukasa, die gemeinsam mit Ihrem Ehemann Christopher Mukasa das Kinderheim gegründet hatte, war kurz vorher verstorben. Wenig später lernten wir auch den damaligen Administrator des Kinderheims kennen, Moses Sseabbaggala, der Christopher Mukasa bald als Direktor ablösen würde. Moses sprach uns an, ob wir etwas für das Kinderheim, dem es finanziell sehr schlecht ging, tun könnten. Wie ich später erfuhr, war das Kinderheim damals kurz davor, aus Geldmangel geschlossen zu werden. Wir beschlossen zunächst einmal, einen E-Mail-Kontakt aufzunehmen, in dessen Verlauf ich viele Fakten zur aktuellen Lage erhielt.

Im Februar/März 2011 reiste ich für 7 Wochen nach Uganda, und machte mir ein intensives Bild vom Stand des Kinderheims. Moses und ich saßen viele Stunden zusammen und erarbeiteten ein Memorandum of Understanding, das schließlich Grundlage für eine erneute Vereinsgründung wurde. Am 10. September 2011 wurde „Zukunft für Bweyas Kinder e.V.“ von sieben Mitgliedern gegründet, heute sind es 44. Wir sind in der Lage, dank regelmäßiger Unterstützung durch Dauerspender einen wesentlichen Beitrag zum Unterhalt des Bweya Children’s Home zu leisten. Dank einer besonderen Spende von BILD Hilft e.V. „Ein Herz für Kinder“ konnte die mittlerweile in die Jahre gekommenen Schlafgebäude, ein Mehrzweckgebäude renoviert und das Gelände eingezäunt werden. Ein weiteres Projekt, die Renovierung des Fußbodens der angeschlossenen Grundschule, wird in Kürze durchgeführt, ermöglicht durch eine engagierte Sammelaktion der Heinrich-Rantzau-Schule in Bad Segeberg. Seit der Vereinsgründung ist der aktuelle Besuch meine fünfte Reise nach Uganda.

Seit Anfang 2014 gibt es auch die Möglichkeit, eine Patenschaft für ein Kind des Kinderheims zu übernehmen. Mit 30 Euro pro Monat kann der Schulbesuch sichergestellt werden. Wenn Sie sich für eine Patenschaft entscheiden, erhalten Sie regelmäßig Informationen über das geförderte Kind, Sie können auch selbst Briefe mit ihm austauschen und wir nehmen auf unseren Reisen auch gerne kleine Geschenke der Paten an die Kinder mit. Am kommenden Samstag, den 22.11.2014 ab 18:00 Uhr, wird es einen Informationsabend im Restaurant Olive in der Oldesloer Straßen 53 in Bad Segeberg geben, zu dem jeder herzlich eingeladen ist. Ich selbst werde gemeinsam mit ein paar Mitarbeitern des Kinderheims live per Skype dabei sein.

Weitere Informationen zum Verein: http://www.zbk-ev.de.

Rwanda Raining

Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich in meinem Zimmer im Lweza Trainings and Conference Center in der Nähe von Kampala/Uganda. Es ist 8:30 morgens, und ein kräftiger Tropenregen ist an diesem Morgen niedergegangen. Vermutlich wird der Regen innerhalb der nächsten Stunde aufhören, der Himmel ist möglicherweise noch eine Weile bedeckt, aber dann wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Sonne für den Rest des Tages scheinen. Das nennt man in Uganda Regenzeit.

Wenn es in Rwanda regnet, kann der Regen auch schon einmal drei Tage anhalten. So habe ich es jedenfalls am vergangenen Wochenende erlebt. Tatsächlich stammen 25 Prozent des Wasserzuflusses des Viktoriasees aus dem kleinen Rwanda. Da Rwanda darüber hinaus fast ausschließlich aus Hügelland besteht, gibt es viele Flüsse, die zur Stromerzeugung genutzt werden.

Über einen Kontakt, den ich in Kigali hatte, lernte ich einen freien Mitarbeiter der niederländischen SNV kennen, die vergleichbar mit der deutschen GIZ ist. Von ihm lernte ich, dass nur 19 % der rwandischen Bevölkerung über einen Stromanschluss verfügen. Damit liegen sie noch gut über dem Durchschnitt in Sub-Sahara-Afrika, der bei ca. 15 % geschätzt wird. Die vielen fließenden Gewässer, über die das Land verfügt, sind eine große Chance, den Bedarf durch Kleinstwasserkraftwerke (Pico Hydro Plants – PHP) zu decken. Die Leistung dieser Anlagen rangiert 0,8 bis 50 Kilowatt.

Ich lernte auch, wie der Weg zum Bau eines PHP aussieht. Der erste Schritt ist eine Bedarfsanalyse. Wieviele Haushalte, wieviel Personen, wieviel Schulen, etc. Üblicherweise wird diese Aufgabe von NGOs (Non Government Organization) übernommen, die mit einem sozialen Auftrag in diesem Gebiet unterwegs sind.

Danach folgt eine Machbarkeitsstudie. Es muss berechnet werden, wieviel Energie durch einen Flusslauf nutzbar ist. Auch sind die Alternativen Wasser und Sonne zu vergleichen. Die Kosten für eine Kilowattstunde sind in ähnlicher Höhe. Die Investitionskosten für Wasserenergie sind recht hoch, benötigt wird ein Staudamm, eine Turbine, ein Generator, sowie weitere Anlagen, um den Strom in die richtige Spannung zu transformieren. Photovoltaik benötigt hingegen ein paar Solarpanels, die sehr preiswert sind, einen Konverter und Batterien zu Speicherung. Letztere sind die Kostentreiber in den Betriebskosten eines Solarkraftwerks, da sie in der Regel alle ein bis zwei Jahre ausgewechselt werden müssen. Die Nutzbarkeit eines Solarkraftwerks ist außerdem sehr vom Wetter abhängig, und in Rwanda scheint nicht immer die Sonne.

Sind Bedarf und Machbarkeit festgestellt, muss die Finanzierung gesichert werden. Damit ein PHP-Projekt förderungswürdig ist, müssen 30 % der Investitionskosten durch diejenigen erbracht werden, denen das Kraftwerk zu Gute kommt. Das kann zum Beispiel durch Anteilsscheine geschehen, die später zu einem ermäßigten Verbrauchstarif berechtigen. Der Rest wird durch Beteiligungen aus der Privatwirtschaft sowie über Zuschüsse finanziert. Insbesondere der Anteil der lokalen Bevölkerung erfordert viel Überzeugungsarbeit, weil es keinen Gebietsschutz für das Versorgungsgebiet gibt. Die Genehmigungen werden für einen bestimmten Flussabschnitt erteilt, die Versorgungsfläche ist nicht definiert, sodass es zum Konkurrenzkampf kommen kann.

Im Zuge dieses sehr informativen Gesprächs, das in einem Café stattfand, wurde ich an einen weiteren Experten weitergeleitet, der bei der GIZ arbeitet. Am nächsten Tag fand ich mich in einem Großraumbüro im 9. Stock des Kigali City Towers, der auf der Spitze des zentralen Hügels der Stadt erbaut worden ist. Die GIZ ist weltweit tätig, um staatliche Förderung mit privatem Investment zu verbinden. In Kigali gibt es eine Institution namens EWDEV – Energy & Water Development, die mit 23 internationalen Organisationen zusammenarbeitet. Führend in diesem Programm ist die GIZ. Seit 2010 wurden über dieses Programm 4 Projekte im Micro-Bereich (100KW bis 1MW) realisiert. Im August 2014 wurden 9 weitere Projekte ausgeschrieben, die inzwischen im Bau sind. Im Dezember 2014 werden weitere 9 Projekte ausgeschrieben. Die Bedingungen für eine erfolgreiche Bewerbung sehen ein Eigenkapital von mindestens 15% vor. Gefördert werden durch die GIZ bis zu 50%. Der Rest kann über Kredite finanziert werden.
Auch die GIZ fördert PHP im Bereich bis 100 KW mit bis zu 70 %. Allerdings wird der Zuschuss erst dann gezahlt, wenn ein Projekt erfolgreich abgeschlossen ist. NGOs sind von dieser Förderung ausgeschlossen, wenn sie bereits eine andere staatliche Unterstützung erhalten, z.B. durch Anerkennung der Gemeinnützigkeit.

Zwei weitere Begegnungen in Kigali sind erwähnenswert. Ich lernte zwei Mitarbeiter der Firma Solarkiosk aus Berlin kennen, die es Kleinunternehmern in Afrika ermöglichen, einen kleinen Laden zu betreiben, mit dem sie im besten Sinne des Wortes u.a. Strom verkaufen.

Die freundlichste Begegnung hatte ich mit einem deutschen Berater im Ruhestand, der mich eines Tages in seinem wunderschönen Eigenheim, das er mit seiner rwandischen Ehefrau und zwei Kindern bewohnt, bewirtete. Später zeigte er mir eine Kooperative, die – durch ein Projekt der SNV gefördert – effiziente Holzöfen für den Hausgebrauch mit sehr einfachen Mitteln produziert. Diese Öfen sind für jedermann erschwinglich. Mit seinem Projekt wurden Vertriebswege und Trainings für die sachgerechten Gebrauch entwickelt.

Rwanda – Der Name

Am Samstag, den 25. Oktober 2014 habe ich morgens in Hamburg einen Flieger bestiegen und war am Abend in Kigali, das ist die Hauptstadt von Ruanda. Ich kam an, fand ein Taxi, und war kurze Zeit später im gebuchten Hotel, das ich bereits im Voraus bezahlt hatte. Der Taxifahrer akzeptierte seine Bezahlung in Euro, das Abendessen ließ ich aufs Zimmer schreiben. Die Leute im Hotel sind absolut freundlich und zuvorkommend. Das Infinity Hotel Kigali hat meiner Meinung nach ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.

Am nächsten Tag machte ich mich nach dem Frühstück auf, um Geld umzutauschen und eine rwandische SIM-Karte zu erwerben. Die Dame an der Rezeption erklärte mir, wie ich die Bank finde, die sonntags zumindest am Vormittag geöffnet hat. Ein Fußmarsch von c. 1,5 km bergauf lag vor mir, da kann man schon ins Schwitzen kommen. Schließlich hatte ich die Bank erreicht, wo ich ein paar Euroscheine in Rwanda-Franc tauschen wollte. Dabei wurde ich nach meinem Pass gefragt und bekam einen Schrecken. Ich hatte weder den Pass noch die Kopie, die ich vorher angefertigt hatte, dabei. OK, ob ich denn bitte meinen Namen und die Nummer meines Passes aufschreiben möge. Meinen Namen kenne ich auswendig, die Passnummer nicht. OK, Name reicht, und ich bekam meine Rwanda-Francs.

Wie gut ist es also, einen Namen zu haben. Das wurde mir am Nachmittag nochmal bewusst, als ich das Genocide Memorial besuchte. Ruanda hat vor 20 Jahren den Tiefpunkt seiner Geschichte erlebt, als ca. 2 Millionen Tutsi brutal ermordet wurden. Auf einem Hügel gegen über der Stadtmitte von Kigali gibt es ein Massengrab, und an diesem Ort wurde eine Gedenkstätte errichtet. Eine Ausstellung führt durch verschiedene Stationen dieser schrecklichen Geschichte, beginnend in der Zeit vor der Kolonialisierung.

Die traditionelle ruandische Gesellschaft bestand aus ca. 17 Clans. Die Einteilung der einzelnen Clans in Hutu und Tutsi war eine Art Klasseneinteilung, Wechsel in beide Richtungen waren durchaus möglich. Im 19. Jahrhundert wurde Ruanda zu einer deutschen Kolonie, nach dem Ersten Weltkrieg bis 1960 war es unter belgischer Verwaltung. Die katholische Kirche, die sich in dieser Zeit durchsetzte, entwickelte eine Theorie, dass es mit dem Alten Testament begründbar sei, dass Hutu bessere Menschen als Tutsi seien. Damit war eine Spaltung vorhersehbar. 1959 führte die belgische Verwaltung einen Personalausweis ein, der jeden einer dieser beiden Gruppen zuordnete. Die Tutsi wurden auf diese Weise immer mehr zu einer rassistisch verfolgten Minderheit. Dem Völkermord, der bereits im Jahre 1990 begann und von der Weltöffentlichkeit wissentlich ignoriert wurde, gingen staatliche Gesetze voraus, die mit den Ariergesetzen der Nazis in den 1930er Jahren sehr viele Gemeinsamkeiten aufweisen.

Im oberen Stockwerk des Gebäudes gibt es einige sehr eindrucksvolle Ausstellungen. So werden z.B. Fotos von Kindern ausgestellt, darunter eine Art Steckbrief mit Lieblingsessen, Lieblingsspielen und dann steht da z.B. „wurde in einer Kirche bei lebendigem Leibe verbrannt“. Man kann nicht zu viel davon lesen, es treibt die Tränen in die Augen und ich stehe fassungslos vor der Tatsache, dass der Großteil eines Volkes zu brutalen Mördern werden kann. Und das nicht nur in Ruanda, auch in Deutschland ist sowas ja passiert und es hängt uns auch noch nach fast 70 Jahren nach.

Um das Gebäude herum sind ein paar sehr schöne Gärten angelegt, und die Architekten haben sich dabei viel gedacht. Es gibt einen Garten, der die Zeit vor der Zwietracht wiederspiegelt, dann einen Garten der Zwietracht, aber auch einen der Versöhnung. Direkt daran grenzen die Massengräber. Graue Betonplatten, unter denen über 100.000 Tote begraben sind.

Eine schwarze Wand daneben enthält Namen. Ja die namenlosen Opfer haben hier einen Namen bekommen. Wichtig ist zuletzt der Name, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Ähnlich wie mein Name beim Geldwechsel die wichtigste Rolle spielte.