Am Samstag, den 25. Oktober 2014 habe ich morgens in Hamburg einen Flieger bestiegen und war am Abend in Kigali, das ist die Hauptstadt von Ruanda. Ich kam an, fand ein Taxi, und war kurze Zeit später im gebuchten Hotel, das ich bereits im Voraus bezahlt hatte. Der Taxifahrer akzeptierte seine Bezahlung in Euro, das Abendessen ließ ich aufs Zimmer schreiben. Die Leute im Hotel sind absolut freundlich und zuvorkommend. Das Infinity Hotel Kigali hat meiner Meinung nach ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Am nächsten Tag machte ich mich nach dem Frühstück auf, um Geld umzutauschen und eine rwandische SIM-Karte zu erwerben. Die Dame an der Rezeption erklärte mir, wie ich die Bank finde, die sonntags zumindest am Vormittag geöffnet hat. Ein Fußmarsch von c. 1,5 km bergauf lag vor mir, da kann man schon ins Schwitzen kommen. Schließlich hatte ich die Bank erreicht, wo ich ein paar Euroscheine in Rwanda-Franc tauschen wollte. Dabei wurde ich nach meinem Pass gefragt und bekam einen Schrecken. Ich hatte weder den Pass noch die Kopie, die ich vorher angefertigt hatte, dabei. OK, ob ich denn bitte meinen Namen und die Nummer meines Passes aufschreiben möge. Meinen Namen kenne ich auswendig, die Passnummer nicht. OK, Name reicht, und ich bekam meine Rwanda-Francs.
Wie gut ist es also, einen Namen zu haben. Das wurde mir am Nachmittag nochmal bewusst, als ich das Genocide Memorial besuchte. Ruanda hat vor 20 Jahren den Tiefpunkt seiner Geschichte erlebt, als ca. 2 Millionen Tutsi brutal ermordet wurden. Auf einem Hügel gegen über der Stadtmitte von Kigali gibt es ein Massengrab, und an diesem Ort wurde eine Gedenkstätte errichtet. Eine Ausstellung führt durch verschiedene Stationen dieser schrecklichen Geschichte, beginnend in der Zeit vor der Kolonialisierung.
Die traditionelle ruandische Gesellschaft bestand aus ca. 17 Clans. Die Einteilung der einzelnen Clans in Hutu und Tutsi war eine Art Klasseneinteilung, Wechsel in beide Richtungen waren durchaus möglich. Im 19. Jahrhundert wurde Ruanda zu einer deutschen Kolonie, nach dem Ersten Weltkrieg bis 1960 war es unter belgischer Verwaltung. Die katholische Kirche, die sich in dieser Zeit durchsetzte, entwickelte eine Theorie, dass es mit dem Alten Testament begründbar sei, dass Hutu bessere Menschen als Tutsi seien. Damit war eine Spaltung vorhersehbar. 1959 führte die belgische Verwaltung einen Personalausweis ein, der jeden einer dieser beiden Gruppen zuordnete. Die Tutsi wurden auf diese Weise immer mehr zu einer rassistisch verfolgten Minderheit. Dem Völkermord, der bereits im Jahre 1990 begann und von der Weltöffentlichkeit wissentlich ignoriert wurde, gingen staatliche Gesetze voraus, die mit den Ariergesetzen der Nazis in den 1930er Jahren sehr viele Gemeinsamkeiten aufweisen.
Im oberen Stockwerk des Gebäudes gibt es einige sehr eindrucksvolle Ausstellungen. So werden z.B. Fotos von Kindern ausgestellt, darunter eine Art Steckbrief mit Lieblingsessen, Lieblingsspielen und dann steht da z.B. „wurde in einer Kirche bei lebendigem Leibe verbrannt“. Man kann nicht zu viel davon lesen, es treibt die Tränen in die Augen und ich stehe fassungslos vor der Tatsache, dass der Großteil eines Volkes zu brutalen Mördern werden kann. Und das nicht nur in Ruanda, auch in Deutschland ist sowas ja passiert und es hängt uns auch noch nach fast 70 Jahren nach.
Um das Gebäude herum sind ein paar sehr schöne Gärten angelegt, und die Architekten haben sich dabei viel gedacht. Es gibt einen Garten, der die Zeit vor der Zwietracht wiederspiegelt, dann einen Garten der Zwietracht, aber auch einen der Versöhnung. Direkt daran grenzen die Massengräber. Graue Betonplatten, unter denen über 100.000 Tote begraben sind.
Eine schwarze Wand daneben enthält Namen. Ja die namenlosen Opfer haben hier einen Namen bekommen. Wichtig ist zuletzt der Name, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Ähnlich wie mein Name beim Geldwechsel die wichtigste Rolle spielte.